Wir lernen durch Vorbilder und dadurch, dass wir uns bei anderen Dinge abgucken und nachahmen. Wichtig ist, dass wir diese Dinge dann irgendwann hinterfragen und entscheiden, was für uns hilfreich und gut ist und was nicht. Manchmal lehnen wir dann auch auf einmal einfach alles ab.

 

Mir ging das so mit vorgegebenen Liturgien und (Gebets-)Worten. Ich wollte irgendwann nicht mehr nur nachplappern. Also strich ich alles Vorgegebene aus meinem Glaubensleben, soweit es möglich war. Und ich musste feststellen: da war gar nicht viel Eigenes. Ich hatte Gott kaum etwas zu sagen. Oder wusste nicht, wie ich es ausdrücken konnte. Eine echte Krise: was war mein Glaube eigentlich wert? Glaubte ich überhaupt „richtig“?

 

Das Gute an jeder Krise ist, dass sie die Möglichkeit gibt, Dinge neu zu bewerten und zu ändern. Ich machte mich auf den Weg, Gott neu zu entdecken. Ihn im Alltag wahrzunehmen und mit ihm zu reden. Ich erlebte, wie ich Worte fand, die meinen Glauben und meine Beziehung zu Gott ausdrücken. Ich lernte, meine Gedanken, Gefühle und Wünsche in Worte zu fassen, die ich Gott sagen konnte. Und auch, dass ich „ins Unreine“ reden darf, weil es für Gott keine wohlformulierten Sätze braucht, damit er mich versteht. Letztlich erlebte ich, dass ich Gott immer mehr mein Herz hinhalten konnte.

 

Und überraschenderweise wurden mir auf dem Weg Worte wieder wichtig, die ich zwischendurch radikal abgelehnt habe. Gott erweckte sozusagen Texte für mich zum Leben, die ich für tot erklärt hatte. Besonders ein Text, den ich auf vielen Jungscharfreizeiten immer beten musste. Als Kind überforderte er mich total, aber aktuell spreche ich ihn jeden Morgen, weil er mich für Gottes Gegenwart und sein Wirken öffnet. Das Tolle ist: ich kann ihn schlaftrunken beten, ohne mir mühsam Worte überlegen zu müssen, wenn mein Gehirn noch nicht hochgefahren ist. Es handelt sich um Martin Luthers Morgensegen:

 

Ich danke dir, mein himmlischer Vater, durch Jesus Christus, deinen lieben Sohn, dass du mich diese Nacht vor allem Schaden und Gefahr behütet hast, und bitte dich, du wollest mich diesen Tag auch behüten vor Sünden und allem Übel, dass dir all mein Tun und Leben gefalle. Denn ich befehle mich, meinen Leib und Seele und alles in deine Hände. Dein heiliger Engel sei mit mir, dass der böse Feind keine Macht über mich gewinne.

 

Es lohnt sich, eigene Worte zu Gott zu finden und gleichzeitig aus Erfahrungen anderer zu lernen und sich ihre Worte zu eigen zu machen. Gott ist groß und vielfältig und er zeigt sich uns manchmal in Dingen, die wir lange Zeit als unwichtig empfunden haben. Gute Erfahrungen mit eigenen und fremden Worten

wünscht dir 

 

Felix

(Gemeinschaftspastor der EG Gödenstorf)